Pflegeversicherung: Leistungen und Antrag

  • Circa 6 Minuten Lesezeit

Seit 1995 gibt es mit der gesetzlichen Pflegeversicherung einen eigenständigen Zweig der Sozialversicherung. Die jeweilige Pflegekasse unterstützt Pflegebedürftige bei den Kosten für die stationäre oder häusliche Pflege finanziell.

Anspruch auf diese Leistungen haben alle Versicherten, die einen bestimmten Grad der Pflegebedürftigkeit vorweisen können. Das stellt die Pflegeversicherung mit einem Gutachten fest. In diesem Beitrag informieren wir Sie, wie Sie einen Antrag auf Versicherungsleistungen stellen. Zugleich erfahren Sie, welche Zahlungen Sie erwarten können.

Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in Kürze

  • In Deutschland herrscht in Bezug auf die Pflegeversicherung eine Versicherungspflicht.
  • Eine private Pflegeversicherung darf nicht mit einer privaten Pflegezusatzversicherung verwechselt werden.
  • Pflegebedürftige Personen können in die Pflegegrade 1-5 eingeteilt werden.
  • Welchen Pflegegrad eine pflegebedürftige Person hängt von der Entscheidung eines Gutachters ab. Man sollte sich auf den Besuch des Gutachters eingehend vorbereiten, um keine wichtigen Infos zu vergessen. Freunde und Familie können hier unterstützen.
  • Der Beitrag zur Pflegeversicherung wird ab dem 1. Juli 2023 erhöht, um den erhöhten Pflegebedarf der immer älter werdenden Bevölkerung weiterhin decken zu können.

Gesetzliche und private Pflegeversicherung im Überblick

In Deutschland existiert bei der Pflegeversicherung eine Versicherungspflicht: Es gelten dieselben Regelungen wie bei der Krankenversicherung. Beide Versicherungssysteme sind eng miteinander verknüpft. Wer gesetzlich krankenversichert ist, gehört automatisch einer gesetzlichen Pflegekasse an. Wenn Sie über eine private Krankenversicherung verfügen, versichern Sie sich auch privat gegen Pflegebedürftigkeit.

Im gesetzlichen und privaten Pflegeversicherungssystem gleichen sich die Leistungen, Unterschiede bestehen aber bei den Versicherungsprämien:

Wenn Sie für sich oder einen Angehörigen einen Pflegegrad beantragen, interessiert vor allem der Blick auf die Voraussetzungen und den Umfang der Leistungen. Hier lässt sich dasselbe wie in der Krankenversicherung feststellen: Die gesetzliche und die private Pflegeversicherung sind harmonisiert. Es finden sich nur minimale Abweichungen, so arbeiten die privaten Versicherer mit anderen Gutachtern zusammen.

Was ist eine private Pflegezusatzversicherung?

Manche verwechseln die private Pflegeversicherung mit privaten Pflegezusatzversicherungen. Während die private Pflegeversicherung dieselben Leistungen wie gesetzliche Pflegekassen garantiert, decken Zusatzversicherungen ein darüber hinausgehendes Risiko ab. Ob privat oder gesetzlich versichert: Mit Pflegezusatzversicherungen erhalten Sie Leistungen, welche die Lücke zwischen den Zahlungen Ihrer Pflegeversicherung und Ihrem finanziellen Bedarf schließen.

Prüfen Sie im Rahmen der Antragstellung bei Ihrer Pflegekasse oder Ihrem Pflegeversicherer, ob zusätzliche Ansprüche durch eine private Pflegezusatzversicherung bestehen. Lassen Sie zuerst Ihren Pflegegrad feststellen – anschließend können Sie auch diese Zusatzleistungen beantragen!

Pflegegrad als entscheidendes Kriterium für Leistungen

Lange Zeit galt in der Pflegeversicherung das System der Pflegestufen, seit 2017 kommt es auf den Pflegegrad an. Beides basiert auf demselben Prinzip: Die Versicherung zahlt dann, wenn ein gewisses Maß an Pflegebedürftigkeit vorliegt.

Den individuellen Pflegegrad stellt ein Gutachter fest. Insgesamt gibt es fünf Pflegegrade. Beim Pflegegrad 1 leistet der Pflegeversicherer nur minimale Unterstützung, ab Pflegegrad 2 steigen die finanziellen Hilfen für die ambulante oder stationäre Pflege deutlich an.

Bei der Einstufung in einen Pflegegrad kommt es auf sechs Bereiche an – die Beurteilung in jeder Kategorie fließt (unterschiedlich gewichtet) in die Gesamteinschätzung ein:

In allen diesen Bereichen bewertet ein Sachverständiger, ob Pflegebedürftige eigenständig agieren können oder auf fremde Hilfe angewiesen sind.

Antrag auf Begutachtung stellen

Sie wollen für sich, einen Elternteil oder jemand anderen Leistungen der Pflegeversicherung beantragen? Im ersten Schritt stellen Sie einen formlosen Antrag. Wenden Sie sich an Ihre Pflegekasse! Im gesetzlichen System sind die Pflegekassen an die Krankenkassen angebunden, dasselbe gilt für das private Versicherungssystem.

Die zuständige Versicherung sendet Ihnen anschließend ein Formular zu. Füllen Sie dieses Dokument gewissenhaft aus! Neben Ihren persönlichen Daten erweisen sich die Angaben zu den gewünschten Leistungen als wichtig. Diese hängen davon ab, welche Art an Pflege Sie wünschen. Benötigen Sie zum Beispiel zu Hause Unterstützung durch Angehörige oder eine Betreuung im Pflegeheim?

So läuft die Begutachtung durch Sachverständige ab

Nach der Auswertung Ihres Antrags sendet die Pflegeversicherung einen Gutachter. Die gesetzlichen Pflegekassen nutzen hierfür den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, Privatversicherer kooperieren mit dem Unternehmen Medicproof.

Die Begutachtung findet im Rahmen eines Hausbesuchs statt und dauert ungefähr eine Stunde. Bei einem Gespräch mit dem Pflegebedürftigen analysiert der Sachverständige den Hilfsbedarf. Er fragt unter anderem nach körperlichen Einschränkungen und macht sich im Gesprächsverlauf ein Bild über die kognitiven Fähigkeiten. Seine Einschätzungen hält er in einem Kriterienkatalog fest – dieser Katalog umfasst die oben erwähnten Kategorien wie Mobilität. Anhand eines Punktesystems erfolgt die Einstufung in einen Pflegegrad.

Tipp: Bereiten Sie sich auf die Begutachtung vor!

Vom Pflegegutachten hängt viel ab: Es empfiehlt sich deshalb, dass Pflegebedürftige und Angehörige verschiedene Vorbereitungen treffen. Wertvolle Dienste leistet ein Pflegetagebuch, in dem sämtliche Probleme und Hilfsleistungen festgehalten sind. Zudem können Angehörige im Vorfeld typische Fragen eines Sachverständigen stellen: Das erhöht die Chance, dass Pflegebedürftige beim eigentlichen Begutachtungstermin alle relevanten Punkte nennen. Während der Begutachtung sollten Verwandte oder Freunde anwesend sein. Sie können wichtige Informationen ergänzen.

Diese Leistungen bietet die Pflegeversicherung

Der Leistungskatalog der gesetzlichen sowie privaten Pflegeversicherung ist komplex. Neben dem Pflegegrad interessiert, welche Hilfe Versicherte in Anspruch nehmen. Der Gesetzgeber unterscheidet zum Beispiel zwischen ehrenamtlicher Hilfe im häuslichen Bereich, ambulantem Pflegedienst und Teil- oder Vollstationäre Pflege. Zudem gewährt die Pflegekasse unterschiedliche Leistungen wie monatliche Pauschalen, Hilfen für Wohnumfeldverbesserung und Kostenerstattungen für Pflegehilfsmittel.

Bei Pflegegrad 1 geht die Pflegeversicherung davon aus, dass sich Pflegebedürftige weitgehend selbst versorgen können. Entsprechend gering ist die Unterstützung. Sie beschränkt sich auf folgende Bereiche:

Leistungen bei den Pflegegraden 2 bis 5

Die Versicherungsleistungen der Pflegekasse beruhen auf der Art der Betreuung. Wenn Pflegebedürftige ihre Hilfe eigenständig mit Angehörigen und Co. organisieren, können sie Pflegegeld beantragen. Bei der Höhe kommt es auf die jeweiligen Pflegegrade an:

Pflegegrad 2: 316 Euro
Pflegegrad 3: 545 Euro
Pflegegrad 4: 728 Euro
Pflegegrad 5: 901 Euro

Kümmert sich ein ambulanter Pflegedienst um die Betreuung, gewährt die Pflegeversicherung eine Pflegesachleistung als Kostenbeteiligung. Die Zahlungen sind zweckgebunden und betragen in den Pflegegraden höchstens:

Pflegegrad 2: 724 Euro
Pflegegrad 3: 1.363 Euro
Pflegegrad 4: 1.693 Euro
Pflegegrad 5: 2.095 Euro

Bei einer vollstationären Pflege überweisen Pflegekassen folgende Zuschüsse:

Pflegegrad 2: 770 Euro
Pflegegrad 3: 1.262 Euro
Pflegegrad 4: 1.775 Euro
Pflegegrad 5: 2.095 Euro

Zusätzlich zahlt die Pflegeversicherung einen Leistungszuschuss für den pflegebedingten Eigenanteil, den Pflegebedürftige stemmen müssen. Dieser Zuschuss steigt mit der Zeit: Entscheidend ist, wie lange Versicherte bereits vollstationär untergebracht sind.

Das System der Pflegeversicherung vor Herausforderungen

Die deutsche Gesellschaft wird älter, entsprechend steigt der Bedarf im Bereich Pflegebedürftigkeit. Das stellt insbesondere das gesetzliche Pflegeversicherungssystem vor finanzielle Schwierigkeiten. In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber deshalb mehrfach die Beiträge angehoben, zum 01. Juli 2023 erfolgt eine weitere Erhöhung.

Insgesamt steigt der Beitrag von 3,05 % auf 3,4 %. Bemessungsgrundlage ist das Brutto-Einkommen. Von den 3,4 % finanzieren Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils die Hälfte.

Kinderlose zahlen einen Zuschlag von 0,6 %, diesen Zuschlag müssen sie alleine stemmen. Daraus ergibt sich ein Arbeitnehmer-Anteil von insgesamt 1,7 %.

Versicherte mit zwei Kindern und mehr profitieren dagegen von einem Rabatt. Bei zwei Kindern liegt der Gesamtbeitrag zum Beispiel bei 2,9 %, wobei der Anteil für Arbeitnehmer bei 1,45 % liegt.

Pflegeleistung beantragen: Informieren Sie sich umfassend!

Die gesetzliche oder private Pflegeversicherung leistet bei Pflegebedürftigkeit eine unverzichtbare Unterstützung. Studieren Sie vor der Antragsstellung am besten die Leistungen: So können Sie die notwendigen Pflegeleistungen finanziell fundiert planen. Nutzen Sie auch die diversen Zusatzleistungen wie die Hilfe bei der Wohnumfeldverbesserung!

Haben wir Ihr Interesse geweckt?